Wir haben unsere Reise selbst geplant und mit Hilfe eines Reisebüros realisiert. Sie bestand aus zwei Abschnitten: mit dem Mietwagen durch die kanadischen Rocky Mountains und mit dem Schiff an der Küste Alaskas entlang von Vancouver nach Anchorage. Wir sind im Sommer – Mitte Juni bis Mitte Juli – gereist. Diese Reisezeit ist zwar auch keine Garantie für gutes Wetter, wir hatten aber meistens Glück. Selbst in Ketchikan (Alaska), dem viertregenreichsten Ort der Erde, strahlte die Sonne trotz des Spruchs „You can’t catch the sun in Ketchikan“ immer mal wieder. Das Packen des Koffers ist eine gewisse Herausforderung, weil neben der kurzen Hose auch noch die Winterjacke Platz finden muss. Anti-Mückensprays kann man, muss man aber nicht mitnehmen. Die geplagten Kanadier verkaufen mindestens gleichwertige Produkte.
Wir sind von Frankfurt nach Seattle geflogen, wo wir eine Nacht geblieben sind, bevor wir den Mietwagen übernommen haben. Seattle würde ich persönlich nur als ganz nett bezeichnen. Wenn man einen Direktflug nach Vancouver findet, ist das auch in Ordnung. Wegen der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit haben wir eine Stadtrundfahrt gemacht und uns einen Überblick vom Aussichtsturm Space Needle aus verschafft. Zum Abschluss sind wir über den bunten Pike Place Market gelaufen, Dort findet man die erste und älteste Starbucks-Filiale der Welt. Die Starbucks-Verehrer bilden eine lange Schlange auf dem Bürgersteig, um ins Innere des kleinen Ladens zu gelangen.
Der zweite Ort war Vancouver, wo wir deshalb nur eine Nacht blieben, weil wir die Stadt schon von einer früheren Reise her kannten. Ist das nicht der Fall, sollte man hier ganz sicher zwei bis drei Nächte einplanen. Es lohnt sich, zumindest bei schönem Wetter. Das Meer und der riesige Stanley Park tauchen Vancouver dann in leuchtendes Blau und Grün. Bei klarer Sicht hat man vom Grouse Mountain einen fantastischen Blick auf die Skyline. Empfehlenswert ist auch ein Spaziergang durch das alte Viertel Gastown mit seiner berühmten dampfbetriebenen Uhr.
Danach begann unser Loop durch die Rocky Mountains. Die erste Etappe brachte uns von Vancouver nach Penticton. In Hope, einem kleinen Städtchen auf der Strecke, organisierten wir uns, tankten und kauften ein. Unser Navi suchte sich von dort aus eine komplett andere Strecke als wir bei unserer Planung, was wir allerdings erst 90 Minuten später in Merritt bemerkten, weil es dazwischen keinen Ort gegeben hatte, der uns einen Hinweis darauf hätte geben können. Schade, so verpassten wir eine laut Reiseführer besonders schöne Bergstraße, gewannen allerdings die wertvolle Erkenntnis, uns immer rechtzeitig mit Benzin und Lebensmitteln einzudecken. Die Ortsdichte ist auch schon im für kanadische Verhältnisse eng besiedelten British Columbia nicht allzu hoch.
Penticton liegt am sehr schönen Okanagan Lake, bietet aber sonst nicht viel, was man von den meisten kleineren Orten an unserer Strecke sagen muss. Es sind nicht die Ortschaften, derentwegen man hier herumreist. Ausschließlich der Weg ist das Ziel.
Nächster Halt war Revelstoke, eine etwas nettere Ortschaft, neben dem Mount Revelstoke gelegen, einem der kleineren Nationalparks in Kanada. Mit dem Auto schraubt man sich etwa 20 Kilometer den Berg hoch und unterbricht diese Fahrt an diversen Aussichtspunkten. Oben gibt es sehr schöne Wanderwege.
Nach Revelstoke geht es dann so richtig los mit der landschaftlichen Schönheit, über die der Westen Kanadas im Überfluss verfügt: Birken, Bäume, Berge, Gletscher, Wasserfälle und Seen. Wenn man Glück hat, sieht man Bären, Elche, Weißkopfadler und Murmeltiere.
In Richtung Banff kamen wir an den Nationalparks Glacier und Yoho vorbei. Ein sehr lohnender Abstecher von der Strecke führt zur Natural Bridge, einer von Wasser umtosten Steinformation und dem wunderschönen Lake Emerald, der genauso grün ist, wie sein Name vermuten lässt, zumindest bei dem schönen Wetter, das wir vorfanden.
Wir verließen Zeitzone und Provinz und kamen nach Alberta. Banff ist im Gegensatz zu den meisten anderen kleinen Orten auf unserer Strecke ausgesprochen sehenswert, auch wenn die hübschen Holzhäuser beinahe ausschließlich von Hotels, Kneipen und Souvenirshops belegt sind. Banff ist nun mal ein Tourismus- und Wintersportzentrum. Wir ließen uns wie immer von den netten und kompetenten Mitarbeitern des lokalen Visitor Centers beraten und planten daraufhin für den nächsten Tag eine Fahrt mit der Banff Gondola hinauf auf den Sulphur Mountain sowie eine Bootstour auf dem Lake Minnewanka. Beides ist mit kostenlosen Shuttlebussen aus dem Stadtzentrum gut zu erreichen.
Die Gondel brachte uns von etwa 1200 auf rund 2200 Meter. Die Aussicht bei strahlendem Sonnenschein war grandios. Die Vorfreude auf den zweiten Programmpunkt war dagegen nicht ganz so gerechtfertigt. Die Bootstour war teuer und der Lake relativ langweilig. Das Boot war größtenteils geschlossen. Mangels sonstiger Abenteuer durfte jeder Gast, der Lust dazu hatte, für ein paar Minuten unter Aufsicht des Kapitäns ans Steuer. Nun ja.
Der nächste Tag war eines der Highlights der gesamten Reise. Von Banff nach Jasper führt der Icefields Parkway, eine der schönsten Straßen, auf denen ich je gefahren bin. Auf rund 230 Kilometern fährt man auf einer gut ausgebauten Straße an schneebedeckten Bergen, Gletschern, Seen, Canyons, Pässen, Flüssen und Wasserfällen vorbei. Nach gefühlt hundert Fotostopps kamen wir beim Columbia Icefield an. Dort kann man mit so genannten Snow Coaches, das sind Busse mit ganz speziellen, riesigen Reifen, auf dem Gletscher herumfahren. Wir haben auf dieses Erlebnis bewusst verzichtet. Das gilt auch für den Glacier Skywalk, einen 500 Meter langen Panoramaweg mit Glasboden in 280 Meter Höhe. Stattdessen hatten wir einen vergleichbaren Blick von einem Parkplatz aus, wenige hundert Meter vom Panoramaweg entfernt. Für mich bestand dort der Bonus darin, festen Boden unter den Füßen zu haben. Wer keine Höhenangst hat, ist wahrscheinlich mit dem Glasbodenweg besser bedient. Glücklich und mit jeder Menge Bilder im Kopf kamen wir abends in Jasper an. Es handelt sich um ein langgezogenes Straßendorf, wie Banff mit reichlich Touristentrubel, aber bei weitem nicht so hübsch.
Wir hatten zwei Nächte in Jasper gebucht und nutzten den dazwischen liegenden Tag für einen Ausflug zu diversen Seen: dem Medicine Lake, dem Maligne Lake, dem Pyramid und dem Patricia Lake. Hätten wir nicht die langweilige Tour auf dem Minnewanka Lake gerade hinter uns gehabt, hätten wir uns wohl intensiver um einen Platz auf einem Boot auf dem Maligne Lake bemüht. Das wäre wohl, wie wir hinterher erfahren haben, sehr viel schöner gewesen. Immerhin sahen wir auf dem Rückweg unseren ersten Bären. Eine Ansammlung von Fahrzeugen am Straßenrand im Nirgendwo verspricht so ein Erlebnis. In diesem Fall befand sich der Bär weit entfernt auf einer Insel im Fluss hinter einem Stein, hinter dem er gelegentlich hervorlugte. Mit anderen Worten: es war mehr Ahnen als Sehen.
Alles in allem haben wir auf unserem gesamten Trip ganze zwei Schwarzbären gesehen, diesen und noch einen direkt am Straßenrand kurz vor Whistler. Andere Touristen erzählten uns, sie hätten in nur einer Woche neun Schwarzbären und einen Grizzly erspäht. Auch die Elks und Mooses waren wohl immer gerade um die Ecke gebogen, wenn wir aufkreuzten. Dafür hatten wir immer die Sonne im Gepäck.
Wir waren nicht undankbar, Jasper den Rücken zu kehren und machten uns auf den Weg nach Clearwater, einem ebenso praktischen wie hässlichen Ort, bestehend aus einem Kreisverkehr, einer Tankstelle, einem Einkaufszentrum, ein paar Motels, einer Bank und dem Visitor Center. Dort stattete man uns mit Infos und Karten für den Wells Grey Provincial Park aus, dem wir uns ohne große Erwartungen näherten. Wer wollte schon einen Provincial Park, wenn er gerade vom Icefields Parkway kam?
Überraschenderweise war der Wells Grey ausgesprochen vielseitig. Ein Canyon mit Wildwasser machte den Anfang. Über zwei Brücken führte ein Weg, den außer uns allerdings noch eine Menge anderer Besucher zu den Potholes nahmen. Zweite Attraktion war der Green Mountain Tower, zu dem eine schmale, unbefestigte und staubige Straße hoch führte. Vom Turm aus hatte man einen Rundblick über Bäume, Bäume und Bäume. Zum Schluss gab es noch zwei sehr schöne Wasserfälle, die Dawson und die Helmcken Falls.
Fanden wir schon Clearwater eher unattraktiv, so galt das umsomehr für unseren nächsten Übernachtungspunkt, den ähnlich aufgebauten, nur etwas größeren Ort 100 Mile House. Acht Meilen entfernt lag folgerichtig 108 Mile Heritage, eine alte Poststation mit Nebengebäuden, die jetzt ein Museum ist. Das Ganze ist liebevoll hergerichtet und wird durch Spenden finanziert. Studenten in alten Kostümen führen die Besucher durch die Räume. Das ist mal etwas anderes als Bäume und Wasserfälle. Trotzdem hatten wir an dieser Stelle der Reise den Eindruck, jetzt könne aber auch mal wieder etwas Spektakuläreres kommen.
Und es kam. Die Strecke nach Whistler am nächsten Tag führte uns durchs Gebirge und bot wunderschöne Panoramen. Und endlich war der Bär da, so nah, dass man ihn wunderbar beobachten und filmen konnte. Gegen Mittag waren wir in Whistler, dem Ort, in dem 2010 die alpinen Skiwettbewerbe der Olympischen Spiele ausgetragen wurden. Dieser Wintersportort war auch im Sommer voll mit meist jungen Touristen. Hier werden alle möglichen Sportarten angeboten. Unter anderem kann man Mountainbikes über Lifte auf verschiedene Höhen des Mount Whistler transportieren lassen und dann die Abfahrt genießen.
Wir erkundigten uns nach einem für unser Alter angemesseneren Programm und erfuhren, da käme eigentlich nur die Peak2Peak-Tour infrage. Ich trotzte meiner Höhenangst und ließ mich auf das Abenteuer ein. Zunächst fährt man mit einer normalen Gondel auf den Gipfel des Mount Whistler. Das ist schon eine ziemlich lange und teilweise steile Strecke nach oben. Auf dem Gipfel angekommen geht man ein paar Schritte zur nächsten Station, von wo aus die Peak2Peak-Tour zum Blackcombe Peak beginnt. Die Strecke von Berggipfel zu Berggipfel ist 4,4 Kilometer lang und bis zu 436 Metern über dem Grund. Wenn man es schafft, der Technik zu vertrauen, ist die Fahrt ein spektakulärer Genuss. Man sollte allerdings wissen, dass die Tour so geplant ist, dass man den gleichen Weg wieder zurück nehmen muss. Ich nehme an, dass viele Besucher durchaus mehrfach hin und her fahren. Kontrolliert wird nicht mehr, wenn man einmal oben ist.
Auf dem Blackcombe Peak begrüßte uns und die anderen Besucher ein Murmeltier. Ob es das täglich tut, weiß ich nicht.
Leider hatten wir nur eine Übernachtung in Whistler und so ging es am nächsten Tag schon weiter nach Sooke auf Vancouver Island. Die Insel erwies sich als einzige totale Fehlplanung unserer Reise. Wir hatten unserer Meinung nach großzügig zwei Nächte vorgesehen, was völlig absurd ist, weil die Insel riesengroß ist. Entweder man lässt Vancouver Island links liegen, was schade ist, aber bei der Fülle an Angeboten verständlich, oder man fährt mindestens eine Woche hin. Es gibt eigentlich nur eine größere Straße, die von Südosten nach Nordwesten relativ dicht an der Küste entlang führt. Von dort aus gehen Stichstraßen in Richtung Westen. Ziele an der Westküste sind also teilweise nur auf größeren Umwegen erreichbar. Die von uns ursprünglich angedachte Bären-Beobachtungstour in Tofino hätte neun Stunden Fahrzeit bedeutet. Außerdem schien sie Wochen vorher ausgebucht zu sein. Wir resignierten und machten am 150. Geburtstag Kanadas eine vierstündige Rundtour nach Victoria, der Hauptstadt British Columbias, und nach Port Renfrew, einem winzigen, sehr hübschen Hafenort.
Victoria ist eine ausgesprochen attraktive Stadt, schön am Meer gelegen, mit relativ alten Gebäuden. Sie entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und hat heute ungefähr 85.000 Einwohner. Am Canada Day war sie übersät mit Bühnen, Zelten und Büdchen. Die Menschenmenge war einheitlich in Rot und Weiß gekleidet. Man sah das eine oder andere Ahornblatt auf Kleidung, Fähnchen oder Mützen.
Die Begeisterung der Kanadier war auch in Port Renfrew spürbar. Wir erlebten einen Autokorso mit ganz vielen Luftballons – vorzugsweise in Rot und Weiß – verkleideten Menschen, Fahnen, Hupen, Gesang und einer Band auf einem Lastwagen.
Am nächsten Tag brachte uns die Fähre wieder nach Vancouver, wo der zweite Teil der Reise begann
Wir hatten eine Kreuzfahrt gebucht, die uns von Vancouver aus durch die Inside Passage über Ketchikan, Juneau und Skagway nach Seward bringen sollte. Von dort aus wollten wir mit einem Panoramazug nach Anchorage weiterfahren, dem Endpunkt unserer Reise. Die Kreuzfahrt an sich war wunderschön, allerdings wird sie von etlichen Gesellschaften angeboten, die über die unterschiedlichsten Schiffe verfügen. Und da sollte man im Vorfeld gründlich recherchieren. Wir waren kreuzunglücklich mit unserem ebenso teuren wie schäbigen Schiff. Vergleiche und Erfahrungsberichte auf Reiseportalen helfen da bestimmt weiter. Die Route dürfte überall etwa gleich sein, das Preis-Leistungsverhältnis dagegen nicht. Anders als bei üblichen Kreuzfahrten hat man auf dieser Tour fast immer Land in Sicht, oft auch kleinere Eisschollen und immer wieder Delphine, die in den Wellen des Schiffes surfen.
Erster Halt war Ketchikan, dieser Ort, in dem es offenbar meistens regnet. Für uns galt wieder einmal: Keine Bären, dafür aber Sonne. Insgesamt lagen drei große Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Es waren also an diesem Tag in dem kleinen Ort deutlich mehr Touristen als Einwohner unterwegs, die die lokalen Souvenirshops unsicher machten. In allen drei Häfen Alaskas, die wir anliefen, gab es einen Edelsteinladen neben dem anderen. Einer unserer Ausflugsbegleiter behauptete, diese Läden gehörten den Schifffahrtsgesellschaften. Keine Ahnung, ob das stimmt. Edelsteine wurden in dieser Gegend jedoch nicht gefunden und der Goldrausch ist auch schon ein paar Jahre her. Wahrscheinlich nehmen Kreuzfahrttouristen gerne mal ein Schmuckstück als Andenken mit nach Hause. Anders kann ich mir diese Anhäufung von Juwelieren nicht erklären.
Mangelware dagegen waren Kneipen oder Läden, die WLAN angeboten hätten. Erst in Juneau entdeckten wir die Bücherei – die Public Library – in der man kostenlos ins Internet kommt. Es werden in den Bibliotheken auch Computer angeboten für diejenigen, die ohne Smartphones reisen.
Wir hatten für Ketchikan eine Bootstour gebucht, die uns in die Misty Fjords brachte. Im Prinzip war das ein schöner Ausflug, er ähnelte jedoch der Tour des nächsten Tages – Walbeobachtung in Juneau – bis auf die Wale sehr. In Ketchikan bietet sich neben vielen anderen Möglichkeiten ein Besichtigungszentrum für Totempfähle als Ausflug an.
Unser zweiter Hafen war die Hauptstadt von Alaska, das gegenüber Anchorage relativ unbekannte Juneau. Juneau soll angeblich die einzige Hauptstadt der Erde sein, zu der keine Straße führt. Man erreicht die Stadt lediglich mit Schiff oder Flugzeug. Alle Autos, die in Juneau fahren, mussten aufwändig dorthin gebracht werden. Unser Bus fuhr uns zu einem Hafen, der ein paar Kilometer außerhalb des Ortes lag. Auf Straßenlaternen saßen mehrere Weißkopfadler. Auch ein Adlerhorst lag direkt neben der Straße.
Die Walbeobachtung war ein voller Erfolg. Ich weiß nicht, ob wir einfach großes Glück hatten, oder ob an dieser Stelle der Erde so reiche Walvorkommen sind, es war jedenfalls – nach Südafrika und Neuengland – unsere dritte Whalewatching-Tour und mit Abstand die interessanteste und schönste. Laut Kapitän hatten wir es mit einer neunköpfigen Walfamilie zu tun, die uns stundenlang durch ihre Kapriolen dicht am Boot auf Trab hielt – von Steuerbord nach Backbord und zurück.
Auf dem Rückweg zum Schiff machten wir noch einen Stopp am Mendenhall Glacier, einem ziemlich staubigen Gletscher. Wir sollten in der Glacier Bay noch deutlich imposantere Exemplare zu sehen bekommen.
Der dritte Hafen auf unserer Route war Skagway, ein altes Goldgräberstädtchen, das ein bisschen ans Frontierland in Disneyland erinnerte. Die ganze Stadt besteht aus pittoresken, teilweise geschmückten Holzhäusern. In mehr als der Hälfte davon konnte man wieder mal Juwelen kaufen, der Rest teilte sich in Andenkenläden, Cafés und Kneipen auf. Die meisten Touristen fahren von Skagway aus mit einem Panoramazug zum White Pass. Die einhellige Meinung unserer Mitreisenden war, dass sich diese Fahrt außerordentlich lohnt.
Wir hatten einen Helikopterflug auf einen nahegelegenen Gletscher gebucht zu einer Hundeschlittenstation. Wir wurden abgeholt, eingewiesen und bekamen Schwimmwesten und Überschuhe, mit denen man über den Gletscher stapfen konnte. Die halbe Stunde im Hubschrauber über Bergen und Gletschern war atemberaubend. Im Camp warteten 240 aufgeregte Huskys darauf, endlich wieder einen Schlitten ziehen zu dürfen. Sie lieben ganz offensichtlich ihren Job. Wir Touristen sind, wie der Schlittenhundeführer erzählte, lediglich Sparringspartner für die Hunde, die für das große 1000-Meilen-Rennen trainieren, das in Alaska das größte Sportereignis des Jahres ist, sozusagen der Superbowl des Nordens. Nach der Fahrt wurden uns die Welpen gezeigt. So einen zwanzig Tage alten Husky auf dem Arm zu halten, trieb die durch den Flug ohnehin schon schäumenden Emotionen noch mal in die Höhe. Dieser Ausflug ist leider relativ teuer, aber ich bin sicher, ich werde ihn im Gegensatz zu so manchen anderen Trips nicht mehr vergessen.
Es folgten zwei Seetage, vorbei an der Glacier Bay und der Fairweather Range, einem Gebirge, das bis zu 5000 Meter hoch ist. Wir fuhren an diversen Gletschern vorbei, Margerie, Grand Pacific, Hubbard und wie sie alle heißen. Das Meer war türkisblau und von Eisbrocken übersät. Wolkenberge türmten sich, die Sonne blinzelte gelegentlich hervor. Die entstandenen Fotos wirken wie Gemälde in kühlen Farben.
Im Zielhafen Seward wurden die Passagiere gut organisiert ausgeschifft. Die meisten hatten einen Busshuttle nach Anchorage gebucht. Aber auch für uns Individualreisende gab es organisatorisch keinerlei Probleme. Ein kostenloser Shuttle brachte uns samt Gepäck zum Bahnhof. Das Gepäck wird dort automatisch in den einzigen Zug des Tages verladen, so erklärte man uns. Und das klappte auch. Wir fuhren weiter mit dem Shuttle – einem alten Schulbus – in den Ort und stellten schnell fest, dass wir alle Attraktionen mühelos bis zum Abend sehen konnten. Seward ist ein hübscher kleiner Ort, der aber mehr als Ausgangspunkt für Angelfahrten oder zu Tierbeobachtungstrails dient. Angeln wollten wir nicht und die Trails dauerten zu lange. Also sahen wir uns im Sealifecenter um, wo man unter anderem Vögel, Seelöwen, Quallen und Lachse beobachten kann.
Der Panoramazug nach Anchorage startete am frühen Abend. Aus den geplanten vier Stunden wurden wegen eines elektrischen Defektes sechs, so dass wir erst kurz vor Mitternacht in Anchorage ankamen. Meine Begeisterung über den Zug hielt sich nicht nur aus diesem Grund in Grenzen. Wenn wir nur die Schiffsreise unternommen hätten, wäre diese Fahrt sicher spannender gewesen. Nach unserer Autorundreise registrierte ich wieder mal Birken und Bäume. Mit dem Bus wären wir billiger, schneller und wahrscheinlich sogar bequemer nach Anchorage gekommen. Da die Straße in weiten Teilen neben den Gleisen herführt, sieht man vermutlich auch von dort aus eine Menge.
Am nächsten Morgen machten wir einen Spaziergang durch Anchorage. Die Stadt ist 1964 bei einem Erdbeben sehr stark zerstört worden. Dieser Katastrophenzeitpunkt bildet, vom architektonischen Standpunkt aus gesehen, gleich eine weitere Katastrophe. Anchorage besteht aus Parkhäusern und Häusern, die wie Parkhäuser aussehen. Das machte uns den Abschied etwas leichter. Im Nachhinein habe ich es sehr bedauert, dass wir nicht noch eine weitere Woche rund um den Mount McKinley eingeplant hatten. So bald kommt man schließlich nicht wieder an dieses wunderschöne „Ende der Welt“.
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