USA und Kanada - der Osten

Als Reiseziel war diesmal der amerikanische Osten vorgesehen, und zwar sowohl die Vereinigten Staaten als auch Kanada. Die Reisezeit hatten wir in den September und Oktober gelegt, in der Hoffnung, ein Stück des Indian Summers zu erleben. Die Route war bereits von zu Hause aus wie folgt von uns individuell geplant und auch gebucht worden: Washington – Niagara-Fälle – Toronto - Montreal – Quebec – Conway – Boston – Hyannis– Mystic –New York. Die Strecken sollten teilweise mit dem Flugzeug und teils mit dem Mietwagen bewältigt werden. Von den Niagarafällen nach Toronto fuhren wir mit der kanadischen Eisenbahn.

 

Washington

 

Der erste achtstündige Flug brachte uns nach New York. Von dort aus ging es aber sofort nach Washington weiter. Die Maschine landete kurz vor Mitternacht mitten im Washingtoner Lichtermeer. Der Flughafen lag ganz offensichtlich recht zentral, was laut Internet auch auf unser Hotel zutraf. So wunderten wir uns über das Angebot des ersten „Taxifahrers“, der auf die sich suchend umblickenden Reisenden zugesteuert war und sie für 40 $ zum Hotel bringen wollte. Es fiel schwer, in dieser Situation abzulehnen, aber das Gefühl, abgezockt zu werden, war noch stärker als die Müdigkeit. Als dann der zweite Fahrer für einen Transport in seinem Minibus 22 $ verlangte, schlugen wir sofort zu und kamen sogar in den Genuss einer Sightseeingtour bei Nacht. 

Das Treffen am nächsten Morgen um 9 Uhr wurde allgemein als nicht zu früh eingestuft, schließlich signalisierten MEZ-gewohnte Körper, dass es längst Zeit zum Aufstehen war. Die Sonne strahlte und der Wettersender hatte 96 Grad Fahrenheit angekündigt. Hätten wir zu diesem Zeitpunkt schon die Formel C=(F-32)x5:9 gekannt, hätten wir vermutlich keine Pullis in die Rucksäcke gepackt. (Übrigens als Leserservice: C=35,55…)

Weil wie immer auf unseren Reisen mehr Programm als Zeit vorhanden ist, vertrauten wir uns einem Open-Air-Doppeldecker-Sightseeingbus an. An Bord holten wir uns in den nächsten beiden Stunden kräftige Sonnenbrände und erste Eindrücke von der Machtzentrale der westlichen Welt, die überraschend grün und provinziell wirkte. Kennedys Bonmot „Washington verbindet den Charme der Nordstaaten mit der Effizienz der Südstaaten“ scheint aber auf den ersten Blick zumindest etwas ungerecht zu sein. Schließlich gibt es dort, wenn man den Erläuterungen auf der Tour glauben schenken darf, an jeder zweiten Ecke etwas, das „the biggest, the greatest, the oldest, the finest, the newest“ oder zumindest „one of the biggest….“ ist. 

Beim Capitol verließen wir den Bus mitsamt seinem angenehmen Fahrtwind und wurden von den 96 Grad (im Schatten) voll erwischt, besonders weil es keinen nennenswerten Schatten gab. Nach einem kurzen Fotoshooting vor der fotogenen Kuppel traten wir die Strecke bis zum Weißen Haus an, normalerweise ein angenehmer Spaziergang durch eine weitläufige Grünanlage, so etwa 2 bis 3 Kilometer weit weg. Das Weiße Haus, das man natürlich nur aus großer Entfernung jenseits eines Zaunes betrachten durfte, hatten wir uns bei weitem größer und beeindruckender vorgestellt. 

Nächster Stopp war das Lincoln Memorial, wo wir erwartungsgemäß auf den überlebensgroßen Abraham Lincoln trafen. An die Aufforderung auf dem Schild „Sitzen verboten“ hielten sich alle bis auf Lincoln. Die Hitze forderte insoweit ihren Tribut, dass wir auf den Arlington Friedhof und Kennedys Grab verzichteten.

 

Niagara

 

Am nächsten Tag landeten wir bereits zum zweiten Mal in New York, ohne davon mehr als einen Terminal zu sehen. Der Weiterflug brachte uns nach Buffalo (USA), von wo aus es mit dem Taxi nach Niagara (Kanada) ging. 

Der Blick aus der 25. Etage des Hotels durch raumhohe Fenster auf die angestrahlten Wasserfälle entschädigte für alle Reisestrapazen des Tages. Der Ort Niagara erinnert an eine Kreuzung aus Euro Disney und Las Vegas, allerdings etliche Nummern kleiner. Es gibt Geisterbahnen, Spielhallen, Burgershops und sogar ein Riesenrad. 

Bei Sonnenaufgang trafen wir uns vor den Panoramafenstern unseres Hotels und ließen Kameras und Camcorder heiß laufen. Gefühlt war für uns immer noch später Vormittag. Anschließend loteten wir die Sightseeingmöglichkeiten aus und entschieden uns für ein Rundum-Sorglospaket, das fünf Stunden dauern und uns an alle relevanten Plätze bringen sollte. 

Erster Programmpunkt war die „Journey behind the Falls“, Mit Fahrstühlen wurden die Touristen auf eine untere Ebene befördert, mit kleidsamen gelben Regencapes ausgestattet und dann durch ein Tunnelsystem geschickt, an dessen Endpunkten sich Aussichtsplattformen hinter dem Wasserfall befanden.

Nach einem Lunch in einer eigens auf Touristenbedürfnisse abgestimmten Raststätte wurde man zum so genannten Whirlpool, einem Naturphänomen des Niagara Rivers und einem Schmetterlinghaus gekarrt. Beide Programmpunkte waren nicht gerade Highlights, sondern dienten eher dazu, den Ausflug auf die angekündigten fünf Stunden auszudehnen. 

Den krönenden Abschluss der Tour bildete die Fahrt mit der „Maid of the Mist“, einem Ausflugsboot, das trockene Touristen, die mit kleidsamen blauen Regencapes ausgestattet worden waren, innerhalb einer halben Stunde in klatschnasse Touristen verwandelte, indem der Kapitän so dicht wie möglich an die sprühenden Fälle heranfuhr. Anschließend wurden diese tropfenden Touristen gegen die nächste trockene Fuhre ausgetauscht, um diese wiederum nass zu machen. Ein Riesenspaß. 

Die in der Tour noch enthaltenen Tickets für den Aussichtsturm ließen wir verfallen. Einen besseren Blick als von unserem Hotelzimmer aus konnte man nicht haben. Facit: Man kann sich ohne weiteres auf Bootstour, Journey behind the Falls und je nach Hotel Aussichtsturm beschränken und hat nichts verpasst.

 

Toronto

 

Für die kurze Strecke nach Toronto – etwa 160 Kilometer – hatte sich bei der Reiseplanung die kanadische Eisenbahn klar gegenüber dem Flugzeug und dem Mietwagen durchgesetzt, eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen sollte. Dieser kanadische Zug bot nämlich in der einzig buchbaren Kategorie einen Komfort, den es in Deutschland nicht einmal in der ersten Klasse gibt. Die entspannte Fahrt endete an der Central Station in Toronto bereits zur Frühstückszeit. 

Mangels profunder Ortskenntnisse strebten wir, nachdem wir unsere Koffer im Hotel deponiert hatten, den CN-Tower an, der laut Stadtplan zentral liegen und auch laut Reiseführer einen der Spitzenplätze der Toronto-Charts einnehmen sollte. Nach einem Spaziergang bei angenehm sonnigem Wetter stießen wir nicht nur auf den Eingang zum Tower, sondern auch auf einen davor parkenden Sightseeing-Bus der Kategorie Hop-on-hop-off. Als uns unschlüssig wirkenden Touristen der Studententarif für alle vier angeboten wurde, gab es kein Halten mehr, sondern nur noch ein kollektives Hop-on. 

Toronto zeigte sich von seiner schönen Seite und auch wenn sich die Tour am Ende etwas zog, verbrachten wir zwei durchaus angenehme Stunden auf dem oberen Deck des Busses, bis wir wieder am Fuß des CN-Towers ankamen. 

Der wurde dann als nächstes in Angriff genommen. Eine lange Schlange vor dem Sicherheits-Check verzögerte die Aktion zwar etwas, konnte sie aber nicht verhindern. Der Turm ist dem Düsseldorfer Fernsehturm nachgebaut, man hat ihn dabei nur etwas in die Länge gezogen, und zwar auf über 500 Meter. Die Sicht war ziemlich spektakulär, allerdings schwankte der Turm leicht. 

Der nächste Bus brachte uns zu einer Anlegestelle, wo die Hafenrundfahrten starteten. Toronto liegt am Lake Ontario und zeigt vom Wasser aus eindeutig seine Schokoladenseite. Die Skyline mit dem CN-Tower und dem Skydome brachte die Kameraakkus wieder an die Belastbarkeitsgrenze.

 

Montreal

 

Die Strecke nach Montreal wurde mit Air Canada bewältigt. Nach der Landung erreichten wir die französische Sprachzone und kämpften mit ersten Sprachproblemen. 

Bewaffnet mit einem Stadtplan näherten wir uns der durchaus netten französisch geprägten Altstadt, wobei sich wirkliche Begeisterung irgendwie nicht einstellen wollte, weil sich der Aha-Effekt für den Europäer in Grenzen hielt. Wir besichtigten die Kirche Notre-Dame, auf die die Einwohner von Montreal sehr stolz sind, die aber in der Erinnerung bereits so verblasst ist, dass sie offenbar wie jede andere Notre-Dame dieser Erde ausgesehen haben muss.

Dann suchten wir einen Eingang zur unterirdischen Shoppingstadt, die mit 29 Kilometern Länge wohl auch international ihresgleichen sucht. Niemand konnte sich den Umfang dieser Passagen so richtig vorstellen, deshalb hatten wir auch keine Ahnung, dass wir uns bereits seit Stunden oberhalb dieses Labyrinths befanden und praktisch durch jedes Basement oder jede U-Bahn-Station einen Eingang gefunden hätten.

Am nächsten Morgen begann unsere Stadtrundfahrt am Dorchester Square. Zunächst wurde wieder Notre-Dame besichtigt. Anschließend fuhr der Bus zum Olympiastadion, wo wir allerlei über Konstruktionspannen und die Spiele 1976 erfuhren, bevor der Bus an einem gigantischen Friedhof entlang auf den Mont Royal fuhr und wir von dort den Ausblick auf die Stadt genossen. 

Der Eindruck des Vortags bestätigte sich: Montreal ist eine Reise wert, aber auch nur genau eine. 

 

Quebec

 

Mit dem Mietwagen ging die Reise weiter nach Quebec. Die Landschaft am St. Lorenz Strom zwischen Montreal und Quebec ist nicht wirklich beeindruckend. Eine vierspurige Autobahn pflügt sich recht gerade durchs ziemlich ebene Gelände und vom Indian Summer war auf dieser Wegstrecke auch noch nicht viel zu sehen. Unser Hotel in Quebec lag ruhig aber zentral in einer Seitenstraße der Altstadt. 

Ein erster Spaziergang durch die Altstadt zum Château Frontenac zeigte, dass Quebec   deutlich französischer als Montreal ist und uns auf Anhieb irgendwie besser gefiel. Quebec gilt in Nordamerika als Prototyp einer europäischen Stadt und wird daher gern als Alternative zu den Europa-in-drei-Tagen-Trips gewählt. Die Stadt ist wirklich außerordentlich pittoresk. Das Château taucht auf geheimnisvolle Weise auf etwa 95 % aller Fotos auf, von denen man merkwürdigerweise abends Hunderte auf seiner Digitalkamera vorfindet.

Der Blick von der Promenade vor dem Château auf die Unterstadt und den St. Lorenz Strom war so beeindruckend, dass wir noch höher hinaus wollten, nämlich zur Citadelle. Schilder, auf denen deutlich vor den 310 Stufen nach oben gewarnt wurde, wurden ignoriert. Oben angekommen und mit einem guten Blick über ganz Quebec wurde einhellig beschlossen, am nächsten Tag auf die Stadtrundfahrt zu verzichten und stattdessen eine Bootstour auf dem Fluss zu machen.

Quebecs Skyline vom St. Lorenz Strom aus ist durchaus sehenswert. Und wieder schlich sich auf jedes Foto, das man von ihr machte, das Château Frontenac ein. Kann man Quebec eigentlich ohne diesen Kasten fotografieren? Das Schiff fuhr stromabwärts bis zu einem Wasserfall, den wir eigentlich für den Nachmittag eingeplant hatten, weil er von verschiedenen Seiten wärmstens empfohlen worden war. Aber nach einem Blick vom Boot aus beschlossen wir stillschweigend, auf einen weiteren Besuch zu verzichten. Wer gerade von den Niagarafällen kommt, ist für dieses Wasserfällchen verdorben.

Ein Spaziergang durch die Unterstadt bei herrlichem Wetter brachte uns zur Talstation der Zahnradbahn, die uns bequem wieder oben neben dem Château ausspuckte. 

 

Conway

 

Am nächsten Morgen ging es mit dem Mietwagen gegen halb 10 los Richtung Indian Summer, wo immer er auch sein mochte. Zunächst musste man noch einmal Richtung Montreal fahren, dann aber auf halber Strecke abbiegen, um wieder in die USA zu gelangen. 

Kaum hatten wir den Highway 20 verlassen, kamen tatsächlich die ersten gelb und rot gefärbten Bäume in Sicht. Wir beschlossen, so bald wie möglich von der Autobahn abzufahren, um auf Landstraßen einen etwas direkteren Kontakt zu der farbenprächtigen Natur herzustellen. So wurde das Navi, das den Verbleib auf dem Highway empfahl, ruhig gestellt. Die nicht richtig gelesene Neuengland-Straßenkarte brachte uns für kurze Zeit nach Vermont, was uns zwar zunächst etwas irritierte, weil wir eigentlich nach New Hampshire wollten, hinterher aber beim Staatenzählen einen weiteren Pluspunkt brachte.

Vorher aber musste noch die Grenze in die Vereinigten Staaten überwunden werden. Auf einem Rastplatz wurden noch schnell alle mitgeführten Äpfel und Muffins verzehrt, wussten wir doch, dass die US-Bürger keinen Spaß verstehen, wenn man ihnen durch die Einfuhr frischer Lebensmittel Maul- und Klauenseuche ins Land zu schleppen versucht.  

Für den gelangweilten Zöllner an der winzigen Grenzstation war die Ankunft eines kanadischen Trailblazers mit vier Deutschen das Ereignis des ansonsten diesbezüglich vermutlich armen Tages. Er blätterte in aller Ruhe die Pässe durch und stieß dabei auf eine Menge bunter Stempel, die ihn offensichtlich irritierten.

Der schon erwähnten Umweg über Vermont kostete nicht viel mehr als eine Stunde Zeit, brachte aber eine besonders üppige Blattfärbung in Verbindung mit strahlend blauem Himmel und ebenso leuchtend blauen Seen. Die Strecke war einmalig schön und gerade an diesem Tag war natürlich der Weg das Ziel. Aber dieser Weg zog sich besonders in der zweiten Tageshälfte ganz schön hin. Wir wollten am Abend in Conway sein und außerdem lag auch noch Mount Washington an der Strecke.

Dort kamen wir gegen halb fünf Uhr nachmittags an und beschlossen, trotz der relativ späten Stunde das optimale Wetter des Tages für die sofortige Fahrt auf den etwa 2000 Meter hohen Berg auszunutzen und dafür etwas später im Hotel anzukommen. Das Panorama war grandios.

Oben an der Bergstation waren es noch ganze 6 Grad Celsius und auch mit Rücksicht auf die bereits fortgeschrittene Tageszeit blieben wir nicht allzu lange, machten einen kurzen Rundweg, fotografierten und filmten, was das Zeug hielt, hielten uns aber nicht damit auf, dem Trailblazer den eigentlich wohl verdienten Aufkleber „This Car climbed Mt. Washington“ anzupappen.

Auf dem Rückweg mussten wir einige Pausen auf den dafür angelegten Rastplätzen einlegen, um die qualmenden Bremsen abzukühlen. Das Mautsträßchen hatte es wirklich in sich, aber die Tour war definitiv lohnend.

Am nächsten Tag besuchten wir erst ein paar der grob geschätzt etwa 200 Outlets, aus denen der Ort Conway förmlich zu bestehen scheint. Daher steuerten wir erst am späten Vormittag den Kancamagus Highway an, den der Reiseführer als ultimative Strecke angepriesen hatte. Es lohnte sich. Die an diesem Tag  kaum befahrene Landstraße schlängelte sich an einem Flüsschen entlang. Die Blattfärbung war schon im Gange, wenn auch noch nicht in voller Ausprägung. Das hatte den Vorteil, dass noch nicht halb Amerika in dieser Gegend unterwegs war. Die Sonne strahlte mit uns um die Wette. 

 

BOSToN

 

On the road again. Um noch einen weiteren Staatenpunkt einzusammeln, hatten wir beschlossen, nicht den direkten Weg an die Küste zu wählen, sondern von New Hampshire nach Massachusetts einen Umweg über Maine zu machen. Die Strecke war wieder wunderschön. Kurvige Landstraßen führten durch nette, altmodische Orte mit der typischen Neuengland-Architektur, an kleinen Seen vorbei, in denen sich die rot-gelben Blätter spiegelten und dazu lachte die Sonne und das seit mehr als zehn Tagen. 

Bei Portland erreichten wir die Küste. Von da aus steuerten wir den ersten Leuchtturm der Reise an, und zwar den in Cape Elizabeth. Nächster Programmpunkt sollte das Seebad Old Orchard Beach werden, das der Reiseführer wärmstens anpries. Der Weg dorthin war auch nicht weit, aber das Ziel lohnte nicht wirklich. Old Orchard Beach hatte Ende September nämlich bereits geschlossen. 

Richtung Süden ging es nach Kennebunkport. Eine Villa war dort beeindruckender als die nächste. Familie Bush scheint es dort auch zu gefallen. Das Ferienhäuschen dieser Sippe war nicht zu übersehen, da es a) das prächtigste, b) das meist fotografierte und c) das am besten gesicherte der Stadt war.

Von da aus fuhren wir bis Boston durch. Unser Hotel lag aus Kostengründen in einem Vorort der ebenso geschichtsträchtigen wie teuren Stadt. Insbesondere die Parkplatzpreise in den Hotels der City, die etwa so hoch waren wie die Übernachtungskosten in anderen Städten, hatten uns bei der Planung dazu bewogen, ein nicht ganz so zentral gelegenes Hotel zu wählen.

Wir machten den Fehler, am nächsten Morgen mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren, wo nach längerer Suche ein Parkhaus in der Nähe des Aquariums gefunden wurde für den Schnäppchenpreis von nur 33 $ pro Tag.

In Charlestown besichtigten wir die USS Constitution. Das Schiff war wenig spektakulär. Dasselbe gilt auch für das Bunker Hill Monument, das aber pflichtschuldigst angesehen wurde. Wir hatten bei mittlerweile nicht mehr allzu schönem Wetter eine Tour mit einem Amphibienfahrzeug gebucht, das zunächst durch die Stadt fuhr, bis endlich der große Moment kam, in dem das Auto eine Schräge ins Hafenbecken hinabfuhr und sich unter großem Gespritze in ein Boot verwandelte. 

Wir hatten bereits schönere Häfen erblickt, wobei man fairerweise zugeben muss, dass der Bostoner Hafen sicherlich durch die bisher stets präsente Sonne stark gewonnen hätte. Hier hatte also die berühmte Tea Party stattgefunden. Na denn…

Nachdem das Fahrzeug wieder Land unter den Rädern hatte, beschlossen wir, einen Spaziergang entlang des berühmten Freedom Trails zu unternehmen. Er ist auch für Ortsunkundige nicht zu verfehlen. Es handelt sich um eine deutlich sichtbare Linie auf Straßen und Bürgersteigen, gesäumt von Hinweisschildern, die auf die geschichtsträchtigen Attraktionen am Rand wie das Massachusetts State House, den King’s Chapel Friedhof, das Old South Meeting House, den Quincy Market und das Paul Revere House hinweisen. Der Trail erwies sich als ganz schön lange Strecke, die wir nicht komplett geschafft haben. 

Am Flughafen mussten wir den kanadischen blauen Trailblazer mit Ledersitzen und allem möglichen elektronischen Schnickschnack gegen einen weißen puristischen US-Trailblazer tauschen. So wollte es das Reglement der Firma Alamo. Mittlerweile war der normale Regen in einen Dauerwolkenbruch übergegangen und daher ignorierten wir alle am Wegesrand liegenden Ziele wie die Harvard Uni in Boston und die Mayflower in Plymouth. Irgendwo musste das Wetter doch besser sein.

 

Hyannis

 

So kamen wir bereits am frühen Mittag in Hyannis auf Cape Cod an, wo wir uns die nächsten fünf Tage am Strand sonnen wollten. Es regnete und regnete. Am nächsten Tag begannen wir damit, uns Gedanken über ein Alternativprogramm zum Sonnenbaden am Strand zu machen. Da es zu diesem Zeitpunkt nur noch neblig und ein bisschen feucht war, beschlossen wir, zurück nach Plymouth zu fahren, um dort das Freilichtmuseum Plimoth Plantation und den Nachbau der Mayflower anzusehen. Je weiter man sich dem Ziel näherte, desto stärker schüttete es aber wieder. 

Am folgenden Tag entschieden wir uns trotz des Wetters für eine Cape-Cod-Rundfahrt. Wenn man sich das schmale, sichelförmige Cape Cod auf der Landkarte ansieht, stellt man fest, dass eine „Rundfahrt“ zwangsläufig nach Provincetown und die gleiche Strecke wieder zurück führt. Allerdings ist die Halbinsel zwar schmal aber auch ziemlich lang, so dass wir einige Zeit durch den Regen fahren mussten, bis wir in Provincetown ankam, wo wir durch den netten, nassen Ort schlenderten. Trotz dieser widrigen Umstände stellten wir übereinstimmend fest, dass Neuengland allgemein und Cape Cod speziell bei Sonnenschein einfach ein Traum sein müsse. An diesem Abend trösteten wir uns mit ganzen Lobstern.

Am nächsten Tag lachte endlich wieder die Sonne und sofort ging es los zum nächsten Strand, der am Kennedy Memorial begann. Hyannis Port ist nämlich sozusagen das Kennebunkport der Familie Kennedy. Sie haben hier ihre Sommerresidenz, was im übrigen zur Entscheidung für den Ort im Vorfeld der Reise beigetragen hatte. Denn da wo es den Kennedys gefällt, kann es schließlich nicht allzu hässlich sein, dachten wir. 

Nach dem Spaziergang ließen wir uns von dem Schiff Grey Lady zur Insel Nantucket bringen. Die Überfahrt war herrlich und wir genossen Sonne und Wind im Gesicht, das Schaukeln der Wellen, das Meer mit seinem salzigen Geruch, Möwen, die kreischend das Schiff umkreisten, die Küste mit Leuchttürmen und den neuenglischen Holzhäusern, kurz es war eine beinahe perfekte Stunde an Deck.

Nantucket Town mit seinem Kopfsteinpflaster, seinen winkligen Gassen und seinen kleinen Holzhäusern entstand vor knapp 200 Jahren als Fischereistützpunkt. Die Walfangkapitäne bauten damals die Häuser und die Wirtschaftskapitäne besitzen sie mittlerweile. Für vier oder fünf Millionen Dollar bekommt man dort nur renovierungsbedürftige Häuser in schlechter Lage. Die Schmuckstücke liegen in Nantucket so bei zwölf bis 15 Millionen.

Am nächsten Tag fuhren wir nach Barnstable zum Whale Watching. Wale beobachten zu wollen, scheint ein typisch deutsches Vergnügen zu sein. Jedenfalls hörten wir nach zweieinhalb Wochen, in denen die Umgebung stets englisch oder französisch gesprochen hatte, überall schwäbische, kölsche oder sächsische Töne. 

Zunächst fuhr das Schiff in schnellem Tempo bis Provincetown, wo das Walrevier begann. Als der erste Wal in Sicht kam, gab es kein Halten mehr. Trimmung hin oder her, alles stürzte nach Steuerbord, wo sich um 11 Uhr die erste Flosse zeigte. Da es früher Nachmittag war, bedeutete 11 Uhr in diesem Fall den Winkel, um den das Tier vom Bug entfernt war.

Nach einer Stunde hatte man bestimmt so an die zwanzig Wale gesehen, unter anderem Mütter mit Kälbern und sogar einen nicht allzu kleinen Hai. Die Wale waren so liebenswürdig, immer wieder Kapriolen im Wasser zu machen, sich zu drehen oder hochzuspringen. Bei solch einem Walreichtum gab es bald kein aufgeregtes Gerenne mehr, wenn sich auf der anderen Seite wieder eine Flosse zeigte. Gelassen wartete man, bis das Schiff drehte oder der nächste grauglänzende Körper auf der eigenen Seite auftauchte.

 

Mystic

 

Am nächsten Morgen starteten wir in Richtung New York. Nach etwa zwei Stunden erreichten wir den Bundesstaat Rhode Island und dort die Stadt Newport. Newport kam gegen 1900 groß in Mode und wurde zur Sommerresidenz der Schönen und Reichen aus New York. Damals baute alles, was Rang und Namen hatte, dort riesige Häuser. Und wenn die Astors eine 500 Quadratmeter Luxus-Villa mit Blick aufs Meer errichtet hatten, dann bauten die Vanderbilts daneben eben ein 600 Quadratmeter-Schlösschen und zwar mit einem noch etwas schöneren Blick. 

So steigerten wir uns auf dieser Reise immobilienmäßig von Kennebunkport (sehr nett) über Nantucket (noch etwas netter) bis Newport (netter als nett). 

Wir verließen Rhode Island und konnten mit dem Erreichen der Staatsgrenze von Connecticut das Häkchen an den letzten noch nicht gesehenen Neuenglandstaat machen. Als Tagesziel war mittlerweile Mystic angedacht. Dort haben wir das Freilichtmuseum Mystic Seaport besichtigt. Das Museum umfasst ein altes Städtchen, einen Hafen, verschiedene Segler und Dampfschiffe sowie eine Art Werft. Die ganze Anlage vermittelt den Eindruck, man habe sich etwa 200 Jahre rückwärts bewegt.

Wir kletterten auf alten Segelschiffen herum, beobachteten mutige Zeitgenossen, die sogar in die Wanten stiegen, um die Segel auf einem Walfänger zu hissen, und genossen das schöne Wetter und die nette Umgebung. 

 

New York

 

Zur üblichen Abfahrtszeit gegen zehn Uhr morgens waren wir wieder startklar und hatte nur noch ein Ziel vor Augen: New York City.

Da die Harvard Universität ja dem Regen zum Opfer gefallen war, hatten wir uns für den Tag vorgenommen, wenigstens einen flüchtigen Blick auf Yale zu werfen, um die Ivy League nicht ganz links liegen gelassen zu haben. Da aber alle nur noch nach New York wollten, wurde es ein sehr flüchtiger Blick aus dem Auto heraus auf einige wenige Gebäude des Campus. Wir verließen den Ort New Haven und stellten fest, dass danach ein urbanes Gebilde begann, das zwar noch nicht New York hieß, aber endlose Vorstädte aneinander reihte.  

So dauerte es noch einige Zeit bis wir Manhattan ansteuerten. Ohne Probleme fanden wir unser Hotel und die Autovermietung. Und dann gab es kein Halten mehr. Mit dem Plan in der Hand verließen wir die Herberge in Richtung Times Square, weil es dort bei Planet Hollywood die New York Card geben sollte. Wir wohnten zwischen der 49th und 50th East an der Park Avenue. Der Times Square befindet sich an der 42nd East und dem Broadway. Das sind zwar nur vier Blocks in die eine und 7 Blocks in die andere Richtung, bedeutete aber zwanzig Minuten strammes Gehen.

Auf den ersten Blick sah eine Straße wie die andere aus. Ein Hochhaus reihte sich an das nächste. Der Times Square war allerdings nicht mit den anderen Straßen zu verwechseln. Es handelt sich um einen riesigen, sehr länglichen, unübersichtlichen Platz. Selbst am hellen Tag hat man den Eindruck, dass hier in 24 Stunden etwa eine Million Dollar an Stromkosten entstehen.

Beim Mittagessen wurde ein erster Schlachtplan entwickelt, wie man die kommenden Tage optimal ausnutzen konnte. Da für den nächsten Tag die bereits auf mehreren Kontinenten bewährte Hop-on-hop-off-Tour geplant war, wollten wir uns an diesem Nachmittag auf die Gegend rund um den Times Square beschränken.

Ein paar Häuser weiter lag Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett, das erste Ziel. Madame Tussaud’s ähnelt den Etablissements gleichen Namens in London und Amsterdam doch stark, wenn auch der Schwerpunkt auf nationalen Größen liegt. Bei den Präsidenten war man wenig wählerisch. Neben Washington, Lincoln und einem kaum erkennbaren Kennedy standen die Clintons, aber auch Richard Nixon. Marylin Monroe und Jackie Kennedy wurden höflich als Warhol’s Women deklariert. Ozzy Osbourne saß nicht weit entfernt von Einstein. Janis Joplin hätte zumindest mit Bill Gates und Yassir Arafat flirten können. 

Den nächsten Programmpunkt bildete die Cold Stone Creamery. Auf einem eiskalten Stein wurde etwa Käsekucheneis mit Erd- und Blaubeeren vor den Augen des Betrachters gemischt, bevor es der Kunde in einer leckeren Waffel ausgehändigt bekam. Das Ergebnis schmeckte genial.

Bewaffnet mit riesigen Eiswaffeln machten wir uns auf den Weg zum Empire State Buildung, laut Stadtplan nur ein paar Blocks entfernt vom Times Square, Ecke 34th East, Fifth Avenue. Aber Manhattan ist riesig und die Stadtpläne haben, um einigermaßen handlich zu bleiben, einen ziemlich komprimierten Maßstab. Also trabten wir wieder eine Zeitlang munter vorwärts und bekamen eine erste vage Vorstellung davon, was mit dem New York Marathon gemeint ist.

Der Blick auf Manhattan entschädigte für die lange Wartezeit in der Schlange vor dem Sicherheitscheck und dem Fahrstuhl. Ganz klein war im weit entfernt liegenden Hafen die Freiheitsstatue zu sehen. Ein Stück weiter links konnte man die Brooklyn Bridge erkennen, das Chrysler Building war gar nicht so weit entfernt und der Central Park war auf der anderen Seite nun wirklich nicht zu übersehen. 

Am nächsten Morgen wurden die Bustickets für zwei Tage Hop-on-hop-off gekauft und der nächste offene Doppeldecker Richtung Downtown erklommen. Es war schon spannend, wie sich Namen, die man schon sein ganzes Leben lang kannte, plötzlich mit Bildern füllten: der Broadway, das Rockefeller Center, das Flatiron Building, die Wallstreet. Der Verkehr war heftig und so brauchte der Bus bis zum Hafen zweieinhalb Stunden. 

Als nächstes stand das Museum of Modern Art auf dem Programm, wo unter anderem Bilder von Andy Warhol, Jasper Johns und Edward Hopper besichtigt wurden. 

Der nächste Spaziergang führte uns zum Central Park, der zu einem geringen Teil durchstreift wurde, unter anderem auf der Suche nach der John Lennon Gedenkstätte Strawberry Fields. Wir waren schon kurz davor aufzugeben, aber Hartnäckigkeit und zwei Stadtpläne führten dann doch noch zum Ziel. Die müden Füße diktierten den weiteren Tagesablauf. Mit der U-Bahn fuhren wir zum Rockefeller Center und bewältigten die restlichen Meter bis zum Hotel dann wieder zu Fuß.  

Wir mussten uns wirklich selbst dazu überreden, uns abends noch einmal zum Times Square zu schleppen. Wir wollten mit unserem Sightseeingbus die Abendtour nach Brooklyn machen. Allein der Times Square bei Nacht machte diesen Ausflug schon zu einem Erlebnis der Extraklasse. Die Tour nahm den gleichen Verlauf wie am Vormittag, der Bus kam aber erfreulich viel schneller voran. Am Hafen fuhr der Bus über die Manhattan Bridge nach Brooklyn. Die Skyline bei Nacht war einfach unglaublich faszinierend. Leider entsprach die Fotoausbeute nicht den hohen Erwartungen.

Am nächsten Tag war eine Hafenrundfahrt geplant mit Besichtigung der Freiheitsstatue. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Ground Zero Mahnmal vorbei und an der Wall Street.

Die Schlange vor dem Sicherheits-Check auf dem Weg zur Freiheitsstatue war diesmal gut 500 Meter lang. Aber es ging recht zügig voran und so standen wir wieder einmal die übliche Stunde an. 

Die New Yorker Skyline, die wir ja bereits am Abend vorher als Lichtermeer erlebt hatte, ist einfach grandios und muss fotografiert werden. Sobald man sich jedoch Liberty Island näherte, richtete sich das fotografische Interesse aller ausschließlich auf die große grüne Frau, die das mit stoischer Gelassenheit über sich ergehen ließ. Mehr als 120 Jahre dauert das Fotoshooting schon und ein Ende ist nicht in Sicht. Auf einen Besuch von Ellis Island und dem Einwanderermuseum verzichteten wir. Eigentlich reichten die gesammelten Eindrücke auch für einen Tag. 

Am nächsten Morgen erwischten wir den Sightseeingbus noch, bevor das 48-Stunden-Ticket ablief, denn noch immer hatten wir die Uptown-Tour nicht gemacht. Der Bus fuhr den Central Park entlang, wo man auf die Stelle aufmerksam gemacht wurde, an der John Lennon erschossen worden war und auf das Haus, in dem seine Witwe in einer 30-Zimmer-Wohnung immer noch lebt.  

Der Bus fuhr weiter nach Harlem und über die Upper East Side zurück und es wurde ziemlich kalt auf dem oberen Deck. Daher stiegen wir ohne Bedauern am Guggenheim Museum aus, um uns wieder einmal dem Indoor-Sightseeing zu widmen. Vier Fünftel der Kunstwerke befanden sich aber wegen einer Renovierung in großen Kisten. So war das Beeindruckendste am Guggenheim Museum an diesem Tag seine Architektur.

Es folgte ein umständlicher Weg zu den Anlegestellen am Hudson. Dort sollten alle möglichen Hafenrundfahrten starten. Das ausgewählte Highspeedboot namens Beast erwies sich als ziemlich lahme Ente.

Der letzte Tag der Reise wurde dem Shopping gewidmet. Nachdem die Füße aber qualmten, unternahmen wir eine weitere Hafenrundfahrt. Aber auch die spektakulärste Skyline nutzt sich irgendwann ab, wenn man sie immer wieder sieht. 

Die beiden letzten Programmpunkte des Tages und auch der Reise bestanden in der Skyride-Tour im Empire State Buildung und dem Blick von der Aussichtsplattform bei Nacht. Der Blick bei Nacht vom 86. Stock war unglaublich. Dafür hatte sich das erneute Anstehen wirklich gelohnt.

 

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